25. Mai 2022. Bei unserem Online-Stammtisch im Mai erläuterte Robert Buchalik die Ursachen der aktuellen Krise für viele Automobilzulieferer. Diese sehen sich insbesondere Lieferengpässen, Preissteigerungen bei Vorlieferanten, kurzfristigen Verzögerungen bzw. Stornierungen der Abnahmen durch die Kunden, die zu Kurzarbeit und/oder Lageraufbau führen, und fehlenden Preisanpassungsklauseln in den Verträgen mit den OEM/Tier1 ausgesetzt. Zudem ergeben sich erhebliche Herausforderungen aus der Digitalisierung und Transformation zur E-Mobilität (mit Wegfall von Beschäftigung) sowie dem autonomen Fahren. Viele Automobilzulieferer müssen außerdem mit der Tilgung von in der Corona-Pandemie aufgenommenen hohen KfW Mitteln beginnen.

Die Automobilhersteller (OEM) haben mittlerweile umfangreiche Erfahrungen mit der Insolvenz von Lieferanten und billigen die Insolvenz als geeignetes Mittel für ihre Lieferanten, die Passivseite neu zu strukturieren und das Unternehmen neu aufzustellen. Ohne Nutzen (Geschäftsmodell/Kernkompetenzen des Zulieferers) für den Automobilhersteller werden diese die Lieferanten allerdings auslisten und hierbei die Zulieferer oftmals ohne Vorankündigung vor vollendete Tatsachen stellen. Professionelle Verhandlung mit Geldgebern, Lieferanten, Betriebsräten und weiteren Stakeholdern sind zwingende Voraussetzung, um Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung zu erarbeiten. Bevor der Lieferant in diese Verhandlungen mit dem OEM / Tier1 einsteigt, sollte er alternative Szenarien ausgearbeitet haben und bei Bedarf umsetzen können. Hierbei ist zu beachten, dass seit Anfang des Jahres 2021 neue und deutlich verschärfte
Regeln für die Bewertung einer Überschuldungssituation gelten.

Robert Buchalik zeigte auf, dass sich Zulieferer nur eingeschränkt und unter hohem Risiko auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage (insbesondere für Preise und Liefertermine) berufen können. Im Zweifel wird versucht werden müssen, den Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Hierdurch wird die Beziehung zu dem OEM/Tier1 nicht verbessert, mit der Gefahr einer „leisen“ Auslistung durch den Kunden. Der Ausgang des Prozesses ist zudem ungewiss. Bis dahin wird der OEM/Tier1 einen erhöhten Preis nicht zahlen. Das damit verbundene Insolvenzrisiko muss im Auge behalten werden.

Daher erläuterte Herr Buchalik die (Antrags)-Gründe, aufgrund derer ein Unternehmen (zwingend bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung) einen Insolvenzantrag stellen muss oder (bei drohender Zahlungsunfähigkeit) stellen kann. Der Ablauf einer Eigenverwaltung oder eines Schutzschirmverfahrens, bei denen die Geschäftsführung das Heft des Handels in der Hand behält, wurden erläutert. Vorteile dieser von der Regelinsolvenz (mit dem Verlust der Handlungsfähigkeit der Geschäftsführung) abweichenden Vorgehensweise ist die Generierung von Liquidität, Eigenkapital und deutlich geringerem Sanierungsaufwand für die Fortführung des Unternehmens.

Wenn die Restrukturierung der Passivseite im Vordergrund der Sanierung steht, stellt auch der Schuldenschnitt durch einen außergerichtlichen Vergleich eine Option dar. Ein außergerichtlicher Schuldenschnitt setzt eine 100%ige Zustimmung aller betroffenen Gläubiger voraus. Bei Scheitern der Verhandlungen zum außergerichtlichen Vergleich besteht in der Regel direkte Insolvenzantragspflicht. Nur wenn bereits externe Krisenmanager und Fachexperten an Bord sind, ist eventuell eine Überleitung in ein Verfahren in Eigenverwaltung möglich.

Durch eine gerichtlich begleitete Sanierung nach dem seit dem in Kraft getretenen StaRUG können rechtliche Risiken für den Gläubiger (z.B. Anfechtungsrisiken) weitgehend vermieden werden. Das erhöht die Bereitschaft  von Banken und öffentlichen Gläubigern, z.B. Finanzamt, an einem Schuldenschnitt mitzuwirken, deutlich. Eine Beschränkung der Restrukturierung auf selektiv einbezogene Gläubigergruppen (Planbetroffene) ist möglich. Auch im StaRUG-Verfahren erfolgt durch die Verzichte eine Generierung von Eigenkapital und Liquidität, allerdings ohne den externen Zufluss von Insolvenzgeld.

Abschließend wies Herr Buchalik darauf hin, dass bei gläubigerbenachteiligenden Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife die Geschäftsführung (in der Regel gesamtschuldnerisch) persönlich mit ihrem Privatvermögen auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen an die Insolvenzmasse haftet.

Die Teilnehmer des Stammtisches diskutierten intensiv Ansatzpunkte von Automobilzulieferer zur Bewältigung der beschriebenen Herausforderungen und berichteten von ihren Erfahrungen.

Die Präsentation des Vortrages stellen wir allen Mitgliedern des BV ESUG gerne zur Verfügung.

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