BV ESUG Online-Stammtisch zum Thema „Unechter Massekredit“

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Jochen Rechtmann, war Gast unseres März-Stammtisches. Er referierte zum Thema: „Der unechte Massekredit – Betriebsmittelfinanzierung in der vorläufigen Eigenverwaltung“.

Der sogenannte „unechte“ Massekredit bezeichnet verschiedene Finanzierungsverträge, die sich auf Umlaufsicherheiten im Insolvenzeröffnungsverfahren beziehen. Er kann auch in Form einer Sicherheitenüberlassungsvereinbarung auftreten und umfasst zudem die Kreditierung von Sicherheitenerlösen, ohne dass dabei Masseverbindlichkeiten entstehen. Die Funktionsweise besteht darin, dass die Bank dem Schuldner Verfügungen über Sicherheiten am Umlaufvermögen erlaubt, beispielsweise durch Globalzession oder Raumsicherungsübereignung, und daraus resultierende Zahlungseingänge kreditiert.

Eine daraus entstehende Masseverbindlichkeit liegt nur vor, wenn das Insolvenzgericht den eigenverwaltenden Schuldner ausdrücklich dazu ermächtigt hat. Der Rückzahlungsanspruch der Bank kann durch neue Sicherheiten abgesichert werden, wobei ein Bargeschäftsprivileg infrage kommen könnte.

Ein unechter Massekredit ermöglicht die Fortführung des Geschäftsbetriebs in der Insolvenz und trägt zur Werterhaltung der Kreditsicherheiten bei. Ohne eine solche Vereinbarung könnten Banken Kreditlinien kündigen und die Einzugsermächtigung für globalzedierte Forderungen sowie die Verfügungsrechte über sicherungsübereignetes Umlaufvermögen widerrufen.

Auch Lieferanten könnten Veräußerungs-, Verarbeitungs- und Einzugsermächtigungen zurücknehmen, was die Geschäftsabläufe weiter erschwert. Ohne eine entsprechende Regelung könnten Warenkreditversicherungen Versicherungslimite einfrieren oder kündigen, was zu einem Lieferstopp führen würde.

Da Insolvenzzahlungen auf versicherte Forderungen angerechnet werden, sinkt zudem die Versicherungsleistung, sodass Lieferanten ihre Belieferung einstellen könnten. Die Folge wären Forderungen nach Vorkasse, Herausgabe von Eigentumsvorbehaltsware oder sofortiger Zahlung. Ein unechter Massekredit erfordert daher eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem eigenverwaltenden Schuldner, dem (vorläufigen) Sachwalter und den beteiligten Kredit- und Sicherungsgebern.

Die Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz erfordert einen Ermächtigungsbeschluss des Amtsgerichts, der Art, Höhe, Laufzeit und Besicherung festlegt. Ein unechter Massekreditvertrag enthält wesentliche Vertragsbestandteile wie Darlehensart, Verwendungszweck, Laufzeit, Konditionen, Sicherheiten und Kündigungsrechte. Eine unrechtmäßige Verfügung über Kreditsicherheiten kann verschiedene rechtliche Folgen haben, etwa Ersatzabsonderungsrechte, wenn der Schuldner über Sicherheiten verfügt, obwohl seine Verfügungsbefugnis erloschen ist. Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter oder eigenverwaltender Schuldner zum Forderungseinzug ermächtigt, muss er die eingezogenen Beträge ordnungsgemäß separieren, um nicht pflichtwidrig zu handeln. Bei Pflichtverletzungen können Ansprüche gegen Geschäftsführer geltend gemacht werden, und in Fällen vorsätzlichen Handelns kann sogar eine Haftung nach § 823 BGB oder § 266 StGB in Betracht kommen.

Die Erfüllbarkeit eines Massekredits muss durch einen Liquiditätsplan nachgewiesen werden, wobei die Besicherung des Darlehens und die Rechte von Banken und Lieferanten zu berücksichtigen sind. Schwierigkeiten ergeben sich oft durch fehlende Informationen zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung sowie durch Unsicherheiten bei der Bewertung von Sicherheiten. Lösungen umfassen eine Orientierung an den Zerschlagungswerten der Sicherheiten, Vereinbarungen zur Überlassung von Umlaufsicherheiten oder eine Ersetzungsbefugnis, die es dem Schuldner erlaubt, entnommene Gegenstände durch gleichwertige zu ersetzen.

Eine sog. Abgrenzungsvereinbarung zwischen Banken und Lieferantenpool kann notwendig sein, um Eigentumsvorbehaltsrechte zu regeln und die Erlösverteilung aus Sicherheitenverwertungen festzulegen. Diese Vereinbarung stellt sicher, dass Lieferanten ihre Rechte nicht einzeln nachweisen müssen und ermöglicht eine geordnete Verteilung der Massekredite zwischen Banken und Lieferanten, wobei bestimmte Kosten und Ansprüche im Vorfeld abgerechnet werden.

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