FAQs

Allgemeine Fragen zum ESUG

Durch das ESUG werden dem Schuldner weitere Mög­lichkeiten eröffnet, die Vorbereitung und Durchführung des Insolvenzverfahrens eigenverantwortlich auszuge­stalten. ESUG-Verfahren nennt man die Einleitung eines Sonder-Insolvenzverfahren mit dem Ziel, das Unternehmen unter einem Schutzschirm nach § 270d InsO oder im Rahmen einer Eigenverwaltung nach § 270b InsO über einen Insolvenzplan zu sanieren und das Verfahren von Anfang an gemeinsam mit den wichtigsten Gläubigern im Rahmen eines sog. vorläufigen Gläubigerausschusses nach §§ 21, 22a InsO zu gestalten und mitzubestimmen. Dazu gehört insbesondere das Recht zum Vorschlag eines bestimmten Insolvenzverwalters gem. § 56a InsO.

Man geht davon aus, dass jährlich ca. Unternehmen unter dem Schutz des neuen Rechts saniert werden können. Die derzeit geringe Zahl von ca. 350 Verfahren macht deutlich, dass mehr als 135 Jahre Konkursdenken tiefe Spuren auch im Bewusstsein von Unternehmen und Beratern hinterlassen haben. Bei den Unternehmen dominiert die „Angst vor der Insolvenz“ und bei den meisten Beratern fehlt es an der notwendigen rechtlichen Kompetenz. Hinzu kommt die Sorge, bei einem Rat zu einer Sanierung unter Insolvenzschutz das bisherige Mandat zu verlieren. Insgesamt handelt es sich um einen laufenden Anpassungsprozess, der aufgrund des tiefgreifenden Wandels wohl noch einige Jahre des Umdenkens erfordert.

Seiner Struktur nach sind ESUG-Verfahren deutlich günstiger als normale Insolvenzverfahren, da einerseits die notwendigen Unterlagen bereits bei Antragstellung aufbereitet vorliegen und der gerichtlich zur Aufsicht bestellte Sachwalter nur 60% der Regelvergütung eine Insolvenzverwalters bzw. eines vorläufigen Insolvenzverwalters erhält, ohne dass weitere Zuschläge gewährt werden, da er nur die Aufsicht ausübt. Die Kosten eines Beraters, der das Sanierungskonzept entwirft und mit den Gläubigern abstimmt, entstehen auch in einem normalen Insolvenzverfahren, da auch dort eine Sanierung ohne tragfähiges Konzept nicht erfolgreich sein wird.

Auch in einem ESUG-Verfahren gilt, dass ein Insolvenzverfahren spätestens 21 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung zwingend eingeleitet werden muss – sonst machen sich die Beteiligten wegen Insolvenzverschleppung strafbar. Je näher dieser Tag heranrückt, desto schwieriger wird eine strukturierte Vorbereitung inkl. der Abstimmung mit den wichtigsten Gläubigern und dem Gericht. Daher gilt als Faustregel, dass mindestens zwei Wochen Vorbereitungszeit unverzichtbar sind, dass aber ein solches ESUG-Verfahren unter Insolvenzschutz auch mit einem Planungshorizont von bis zu 6 Monaten taggenau angestrebt und vorbereitet werden kann.

Das hängt ganz wesentlich von der Art und Qualität der Vorbereitung, insbesondere der Kommunikation mit den Beteiligten ab. Sehr gut vorbereitete Verfahren können innerhalb von 3-5 Monaten bereits vollständig abgeschlossen sein, häufiger sind jedoch Zeiträume von 5-9 Monaten – angesichts der Dauer eines Regelinsolvenzverfahrens von ca. 5 Jahren eine enorm schnelle Umsetzung. Mit der Aufhebung des Verfahrens ist allerdings nur die erste Phase der Sanierung abgeschlossen, denn die operative Umsetzung dauert regelmäßig deutlich länger.

Das Insolvenzrecht stellt Unternehmen, die sich zu einem möglichst frühen Zeitpunkt unter den Schutz des Insolvenzrechts stellen, eine Vielzahl von Sondervergünstigungen zur Verfügung, die es außerhalb eines solchen Verfahrens nicht gibt. So bleibt zunächst einmal die Geschäftsführung im Amt und vertritt auch weiterhin das Unternehmen nach außen, wenn auch unter der Aufsicht eines Sachwalters. Zudem werden z. B. für die Dauer von bis zu 3 Monaten die Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes finanziert, sodass die dadurch gesparte Liquidität voll für die Sanierung eingesetzt werden kann. Das Unternehmen kann sich unter Insolvenzschutz aus ungünstigen, auch langfristen Verträgen durch einfache Erklärung lösen, Zahlungen, die unter Druck geleistet worden sind, können zurückgefordert werden und die Anpassung der Personalstruktur ist deutlich vereinfacht und regelmäßig ohne Abfindungen möglich. Ein Sanierungskonzept bedarf nicht der Zustimmung aller Gläubiger, sondern kann auch mit Mehrheit durchgesetzt werden und während der ganzen Dauer des Verfahrens ist das Unternehmen vor Eingriffen der Gläubiger geschützt. Insgesamt gewährt das Insolvenzrecht dem Unternehmen eine „wettbewerbsrechtliche Auszeit“ und lässt ihm Vergünstigungen in großem Umfang zukommen, damit die Sanierung gelingt und Arbeitsplätze erhalten werden können.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Fragen zum ESUG

Fragen zu den Verfahren

Fragen zum Insolvenzgericht

Fragen zum Insolvenzplan

Fragen zum Gläubiger

Fragen zu den Verfahren

Ein Schutzschirmverfahren kann nur eingeleitet werden, wenn das Unternehmen bei der Antragstellung noch allgemein zahlungsfähig ist und dies auch in den nächsten Wochen bleiben wird. Das Verfahren steht daher nur Unternehmen zur Verfügung, die noch nicht antragspflichtig sind, sondern sich freiwillig unter den Schutzschirm des Insolvenzrechts begeben. Hinzukommen muss zwingend, dass ein sachverständiger Dritter dem Unternehmen bescheinigt, dass es auf der Grundlage eines bereits vorliegenden Konzeptes grundsätzlich sanierungsfähig und fortführungswürdig und keine Zahlungsunfähigkeit gegeben ist. Hingegen kann eine Eigenverwaltung auch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit eingeleitet werden.

Letztlich hängt das vom Ziel der Sanierung und von den Eintrittsvoraussetzungen ab. Die Befugnisse des noch nicht zahlungsunfähigen Schuldners sind im Schutzschirmverfahren – quasi als Belohnung für die frühe Antragstellung – sehr weitreichend, allerdings sind die Hürden auch hoch. Werden diese Hürden jedoch überwunden, dann hat das Unternehmen ein eigenes Vorschlagsrecht zur Person des vorläufigen Sachwalters, er kann unbeschränkt Masseverbindlichkeiten begründen und Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gerichtlich untersagen oder einstellen lassen. Zudem wird ein Schutzschirmverfahren i. d. R. nicht veröffentlicht und der Antrag kann zurückgenommen werden, wenn sich innerhalb von 90 Tagen die Sanierung erreichen lässt. Ist eines dieser Kriterien für die Beteiligten besonders wichtig, macht es Sinn ein Schutzschirmverfahren einzuleiten, denn die Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Eigenverwaltung sind zwar ebenfalls sehr gut ausgebildet, allerdings nicht in dem Umfang wie beim Schutzschirmverfahren.

Drohend zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, das im Moment dieser Feststellung noch in der Lage ist alle seine fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, dem aber im Laufe der nächsten Zeit bei Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit die Gefahr droht, dass es dazu nicht mehr in der Lage sein wird. Es handelt sich mithin um eine in die Zukunft gerichtete Prognose, die auf der Grundlage einer strukturierten Liquiditätsberechnung erfolgt, die bis zu einem Jahr in die Zukunft gerichtet sein kann. Im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist ein Unternehmen nicht zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet, kann sich aber freiwillig unter den Schutz des Insolvenzrechts stellen und alle damit verbundenen Vorteile für sich in Anspruch nehmen, insbesondere den des Schutzschirmverfahrens.

Alle Erfahrungen der ersten Zeit nach Inkrafttreten des ESUG zeigen, dass ein Unternehmer selbst nicht in der Lage ist, die hohen gesetzlichen Anforderungen an einen zulässigen und begründeten ESUG-Antrag zu erfüllen. Auch der normale Hausanwalt wird hierzu nicht in der Lage sein, vielmehr bedarf es dazu einer professionellen Begleitung durch einen insolvenz- und gerichtserfahrenen Berater sowie eines mit diesem verbundenen Team. Die dem Antrag beizufügenden Unterlagen ergeben sich aus § 13 InsO, wenn auch nicht in der für einen Laien verständlichen Klarheit. Regelmäßig erreicht ein „ordentlicher“ ESUG-Antrag mit den gesetzlich erforderlichen Unterlagen einen Umfang von ca. einem Aktenordner.

Wenn ein ESUG-Verfahren Erfolg haben und die Mitwirkung und Mitbestimmung der Gläubiger vom ersten Tag eines Verfahrens gesichert werden soll, dann erfordert es, dass dem Gericht alle Unterlagen vorgelegt werden müssen, die in einem „normalen“ Insolvenzverfahren erst nach wochenlanger Arbeit durch einen Sachverständigen dem Gericht vorliegen. In einem ESUG-Verfahren müssen all diese Anforderungen schon vor der Antragstellung erfüllt und mögliche weitere gerichtliche Bedenken müssen antizipiert werden. Das setzt notwendig eine Klärung mit dem Gericht über die Inhalte eines solchen Antrags voraus, die je nach zuständigem Gericht oder zuständigem Richter variieren können. Ohne eine professionelle Vorarbeit und Begleitung im Verfahren ist das nicht machbar.

Einigkeit besteht darüber, dass dies vorrangig nur durch sog. kammerangehörige Berufsträger erfolgen darf. Dazu gehören Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Ob auch andere Personen dazu als berechtigt angesehen werden, ist noch umstritten. Bevor man jedoch einen Nicht-Berufsträger beauftragt, sollte mit dem zuständigen Gericht geklärt werden, ob dessen Bescheinigung dort anerkannt wird, denn die formelle wie die inhaltliche Kontrolle obliegt dem Insolvenzgericht.

Der Gesetzgeber schreibt in § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO lediglich vor, dass die Bescheinigung mit Gründen versehen sein muss, von einem in Insolvenzsachen er­fahrenen Steuerberater bzw. einer Person mit vergleich­barer Qualifikation stammt und sich aus ihr ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die ange­strebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Die Bescheinigung ist inhaltlich überzeugend gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO auszugestalten und mit Gründen zu versehen. Eine ergebni­sorientierte Kurzmitteilung genügt nicht. Unverzichtbar dürften sein:

  • Kurze Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung des Un­ternehmens der letzten drei Jahre in Form von GuV und Bilanz
  • Analyse der Krisenursachen und der Krisenstadien gemäß IDW S6
  • Sanierungsansätze und Maßnahmen zur Beseitigung der Krisenursachen (Übersicht der Maßnahmen)
  • Identifizierung von offensichtlichen Sanierungshemmnissen und erwartetes Verhalten der wichtigsten Stakeholder (Ban­ken, Gesellschafter, Kunden, Lieferanten etc.)
  • Integrierte Sanierungs-/Businessplanung für das laufende Wirtschaftsjahr und mindestens zwei Folgejahre (Ergebnis­, Finanz­ und Vermögensplan)
  • Erste Skizze des Leitbildes des sanierten Unternehmens

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass einer der nachfolgenden Eröffnungsgründe gegeben ist:

Zahlungsunfähigkeit:

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverbindlichkeiten zu erfüllen. Nach einer Grundsatzentscheidung des BGH liegt Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 InsO regelmäßig dann vor, wenn der Schuldner 10% oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten länger als drei Wochen nicht erfüllen kann, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei vorliegender Zahlungsunfähigkeit kann sowohl der Schuldner als auch ein Gläubiger stellen.

Drohende Zahlungsunfähigkeit:

Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor,  wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erfüllung der bestehenden Zahlungsverpflichtungen nicht gelingen wird, muss dabei mindestens 50 % betragen. Als Prognosezeitraum bezüglich der Beurteilung der künftigen Entwicklung des Schuldners sind das laufende und nächste Geschäftsjahr des Schuldners anzusetzen. Einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann nur vom Schuldner selbst gestellt werden.

Überschuldung:

Der Insolvenzgrund der Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei vorliegender Überschuldung kann sowohl der Schuldner als auch ein Gläubiger stellen.

Nach § 12 Abs. 1 InsVV erhält der Sachwalter 60% der für den Insolvenzverwalter zu bestimmenden Vergütung, d. h. er bekommt eine Vergütung in Höhe von 0,6-Regelsatz gem. § 2 InsVV bzw. als vorläufiger Sachwalter 60% von einem Viertel Regelsatz, also 0,15-Regelsatz. Zuschläge sieht das Gesetz nur vor, wenn bestimmte Rechtsgeschäfte des eigenverwaltenden Schuldners der Zustimmung des Sachwalters bedürfen. Weitere Zuschläge dürften wegen der begrenzten Aufgaben des Sachwalters ausgeschlossen sein.

Fragen zum Insolvenzgericht

Das Insolvenzgericht ist eine Abteilung in einem Amtsgericht. Die Aufgaben des Insolvenzgerichts werden wahrgenommen von Richterinnen und Richtern sowie von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern. Zuständig ist grundsätzlich das Insolvenzgericht am Sitz des Unternehmens, es sein denn, der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit liegt an einem anderen Ort als dem Registersitz. Die Insolvenzgerichte und die gerichtlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren finden Sie unter .

Bei den mehr als 180 deutschen Insolvenzgerichten gibt es massive Unterschiede in der Handhabung des ESUG. Da eines der Ziele auch gewesen ist, die Gerichte insbesondere bei der Auswahl der Verwalter zu entmachten und in diese Entscheidung die Gläubiger einzubinden, spaltet sich auch das Lager der Gerichte in Befürworter, Skeptiker und Gegner des ESUG. Ein guter Berater kennt diese Besonderheiten und muss sie in seine Betrachtungen einbeziehen – tut er es nicht, kann der Antrag auf ein ESUG-Verfahren schon in der ersten Phase scheitern (was dann die Frage einer Haftung wegen Falsch- oder Schlechtberatung mit sich bringt). Viele Unternehmen machen um bekannte ESUG-kritische Gerichte häufig einen Bogen, indem der Sitz des Unternehmens kurzfristig in einen anderen Zuständigkeitsbereich verlagert wird. Bei unterschiedlichen Handhabungen unter verschiedenen Richtern eines Gerichts wird auch versucht die regelmäßig an Anfangsbuchstaben anknüpfende Zuständigkeit eines ESUG-kritischen Richters dadurch zu umgehen, dass das Unternehmen kurzfristig umfirmiert wird. So wurde der Antrag im Insolvenzverfahren der Praktiker-Märkte nicht unter dem Buchstaben „P“ für Praktiker, sondern durch Einreichung eines Antrags für den „Baumarkt Praktiker“ und damit unter dem Buchstaben „B“ bei einem bekannten Befürworter des ESUG eingereicht.

Da es sich um eine Frage des Zugangs zu einem gerichtlichen Verfahren handelt, dürfte ein Anspruch auf ein Vorgespräch gegeben sein. Gleichwohl gibt es vereinzelt Gerichte die dies gleichwohl verweigern. In einem solchen Fall sollte man sich direkt an den Direktor des zuständigen Amtsgerichts oder den Präsidenten des jeweiligen Landgerichts wenden und in sachlicher Form darum bitten, dass ein Vorgespräch dann auf dieser Ebene gewährt wird. Der Weg eine Dienstaufsichtsbeschwerde etc. dürfte in aller Regel schon aus zeitlichen Gründen sinnlos ein.

Fragen zum Insolvenzplan

Um das Vertrauen des Gesetzgebers zu rechtfertigen, muss der Schuldner nicht nur formale Voraussetzungen erfüllen (z. B. Vor­lage einer Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO), sondern auch praktisch den Gläubigern gegenüber ein überzeugendes Konzept präsentieren. Daher ist es er­forderlich, schon vor der eigentlichen Antragstellung umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen.

Zunächst müssen die für das Verfahren benötigten Unter­lagen sorgfältig aufbereitet werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um folgendes.

1. Betriebswirtschaftliche Unterlagen:

a. zur Analyse der Krisenursachen und ­-stadien

b. zu Sanierungsansätzen und Maßnahmen zur Beseiti­gung der Krisenursachen
c. zur Identifizierung von offensichtlichen Sanierungs­hemmnissen
d. zur Erstellung einer integrierten Sanierungs-­/Business­planung
e. zum Leitbild des sanierten Unternehmens

2. Juristische Unterlagen, die die folgenden Aspekte analysieren und aufzeigen:

a. allgemeine Rechtsverhältnisse, aber auch insolvenz­rechtliche Auswirkungen innerhalb eines Unterneh­mens­ und Haltungsverbundes

b. verschiedene insolvenzrechtliche Szenarien

c. steuer- und arbeitsrechtliche Aspekte

3. Unterlagen zur Sicherstellung einer proaktiven insol­venz- und unternehmensspezifischen Kommunikation an alle Stakeholder (z. B. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Behörden, Banken, Medien etc.).

Die zuvor genannten Unterlagen erstellt ein erfahrener Berater direkt so, dass diese für den zu erstellenden Insolvenzplan aber auch für das, zur Rettung des Unternehmens not­wendige, operative Sanierungskonzept in geeigneter Form miteinander abgestimmt und verknüpft zur Verfügung ste­hen. So können spätere Änderungen tatsächlicher, recht­licher oder betriebswirtschaftlicher Art in allen relevanten Unterlagen unverzüglich dargestellt werden. Der für die Er­stellung des integrierten Sanierungskonzeptes eingesetzte Berater sollte daher neben „handwerklichen“ Fähigkeiten (z. B. MS­Office­ Produkte sowie Professional Planner) über ausgewiesene Expertisen u. A. in betriebswirtschaftlichen Fragestellungen (auf Basis aktueller Standards wie IDW S6)im Insolvenzrecht (spezifische Kenntnisse im Bereich In­solvenzplanverfahren in Eigenverwaltung), Steuerrecht, Arbeitsrecht, Handels­ und Gesellschaftsrechtin der operativen Restrukturierung in der geeigneten unternehmensinternen und externen Kommunikation verfügen. Die Praxiserfahrung zeigt, dass ein derartiges Auf­gabenpaket regelmäßig nur von einem eingespielten, inter­disziplinären Team abgebildet werden kann. Der Projektleiter sollte zudem über Erfahrungen im Interimsmanagement ver­fügen, um vor Antragstellung die Position eines Chief Restruc­turing Officer (CRO) in der Unternehmensleitung übernehmen zu können.

In einem Insolvenzplan ist neben den rechtlichen Spezifikationen aufzuzeigen, wie das Unternehmen wieder nachhaltig überlebensfähig aufgestellt und die Planverbindlichkeiten befriedigt werden können. Neben der bilanziellen Sanierung (Bereinigung der Passivseite der Bilanz) durch die Insolvenz ist eine umfangreiche operative Sanierung des Unternehmens durchzuführen.

Der Insolvenzplan setzt sich dabei  aus einem  darstellenden und einem gestaltenden Teil sowie den Plananlagen zusammen. Der darstellende Teil dient dazu, alle Beteiligten sowie das Insolvenzgericht darüber zu informieren, wie die Zielsetzung des Insolvenzplanes erreicht werden kann. Es werden die Maßnahmen beschrieben, die erforderlich sind und getroffen werden müssen, um die Grundlage für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen. Dabei wird der Inhalt des darstellenden Teils maßgeblich von der Frage bestimmt, welche grundsätzliche Zielsetzung mit dem Plan erreicht werden gestaltende Teil des Insolvenzplanes regelt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll. Es werden die verschiedenen Leistungsbeziehungen sowie die zur Unternehmensrestrukturierung erforderlichen Willenserklärungen dargestellt. Soweit Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind, erfolgt die Festlegung der Rechte der Beteiligten in Gruppen. Zu den Plananlagen eines Insolvenzplanes gehören unter anderem eine integrierte Finanz-, Vermögens- und Ertragsplanung, ein Sanierungsgutachten und eine Gläubigerliste sowie Aufteilung der Gläubiger in die jeweiligen Gläubigergruppen.

Die Abstimmung über einen Insolvenzplan erfolgt in Gruppen und nicht einzeln. Ein Insolvenzplan kommt zustande, wenn alle Gläubigergruppen dem Insolvenzplan zugestimmt haben. Der Bildung von Gläubigergruppen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Einteilung der Gläubiger in Gruppen muss dabei zwingend die Rechtsstellung sowie die wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger berücksichtigen. Kriterien für die Abgrenzung der Gruppenbildung müssen im Insolvenzplan erläutert werden. Zur Annahme des Insolvenzplanes innerhalb einer Gruppe muss sowohl die Kopf- als auch die Summenmehrheit erreicht werden. Des Weiteren muss die Mehrheit der Gruppen dem Insolvenzplan zustimmen. Sollte mehr als die Hälfte der Gruppen zustimmen, kann die Zustimmung der fehlenden Gruppen durch das Gericht ersetzt werden (sog. Obstruktionsverbot).

Fragen zum Gläubiger

Der vorläufige Gläubigerausschuss ist das zentrale Steuerungsinstrument in einem ESUG-Verfahren. Er soll die Mitwirkung und Mitbestimmung der Beteiligten vom ersten Tag eines Verfahrens an sichern, was notwendigerweise erfordert, dass dessen Mitglieder bereits vor der Antragstellung ausgewählt werden und zur Übernahme des Amtes bereit sind. Da in dem frühen Stadium des Verfahrens die Gläubiger noch nicht alle bekannt sind, erfordert die Zusammensetzung des Ausschusses eine Repräsentation aller beteiligten Gruppen und sollte daher regelmäßig aus 5 Mitgliedern bestehen (Kreditinstitut, Sicherungsgläubiger, Arbeitnehmervertreter, institutionelle Gläubiger wie z.B. Bundesagentur, Krankenkasse etc.) sowie einem ungesicherten Kleingläubiger. Jedes Mitglied des Ausschusses hat eine Stimme, egal wie hoch dessen Forderung ist.

Der Ausschuss hat die Aufgabe die Arbeit des eigenverwaltenden Schuldners und/oder die des vorläufigen Verwalters zu überwachen und hat zudem u. A. die folgenden Rechte und Pflichten:

  • Anhörungsrecht vor Bestellung eines Verwalters durch Benen­nung eines konkreten Anforderungsprofils (§ 56a Abs. 1 InsO)
  • Einstimmiger, bindender Vorschlag für einen Verwalter (§ 56a Abs. 2 InsO)
  • Einstimmige Ersetzung der gerichtlichen Auswahlentschei­dung ohne Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 56a Abs. 3 InsO)
  • Antrag auf Aufhebung des Schutzschirmverfahrens vor Ablauf der gesetzten Frist (§ 270b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 InsO)
  • Stellungnahme zum Antrag auf Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 3 InsO)
  • Alle gesetzlichen Aufgaben nach § 69 InsO
  • Zustimmung zu allen Maßnahmen nach § 160 InsO.

Der Gesetzgeber gewährt ganz bewusst die erheblichen Vergünstigungen des neuen Rechts nur solchen Schuldnern, die zumindest in der letzten Phase vor der Antragstellung die wichtigsten Gläubiger einbeziehen und diese davon überzeugen, den Weg in eine Sanierung unter Insolvenzschutz gemeinsam zu gehen. D. h. es stellt sich überhaupt nicht die Frage des „Ob“, sondern nur die Frage des „Wann“. Ein Antrag ohne vorherige Einbindung der wichtigsten Gläubiger ist von vornherein aussichtslos.

Das Obstruktionsverbot sieht die fingierte Zustimmung der ablehnenden Gruppen durch das Gericht vor. Eine ablehnende Entscheidung einzelner Gruppen kann jedoch nur dann durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden, wenn die ablehnenden Gruppen zahlenmäßig in der Minderheit sind. Des Weiteren kann die Zustimmung nur ersetzt werden, wenn die Gläubiger der ablehnenden Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden und angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Insolvenzplanes zu verteilen ist.

Allgemeine Fragen zum ESUG

Durch das ESUG werden dem Schuldner weitere Mög­lichkeiten eröffnet, die Vorbereitung und Durchführung des Insolvenzverfahrens eigenverantwortlich auszuge­stalten. ESUG-Verfahren nennt man die Einleitung eines Sonder-Insolvenzverfahren mit dem Ziel, das Unternehmen unter einem Schutzschirm nach § 270b InsO oder im Rahmen einer Eigenverwaltung nach § 270a InsO über einen Insolvenzplan zu sanieren und das Verfahren von Anfang an gemeinsam mit den wichtigsten Gläubigern im Rahmen eines sog. vorläufigen Gläubigerausschusses nach §§ 21, 22a InsO zu gestalten und mitzubestimmen. Dazu gehört insbesondere das Recht zum Vorschlag eines bestimmten Insolvenzverwalters gem. § 56a InsO.

Man geht davon aus, dass jährlich ca. Unternehmen unter dem Schutz des neuen Rechts saniert werden können. Die derzeit geringe Zahl von ca. 350 Verfahren macht deutlich, dass mehr als 135 Jahre Konkursdenken, tiefe Spuren auch im Bewusstsein von Unternehmen und Beratern hinterlassen haben. Bei den Unternehmen dominiert die „Angst vor der Insolvenz“ und bei den meisten Beratern fehlt es an der notwendigen rechtlichen Kompetenz. Hinzu kommt die Sorge, bei einem Rat zu einer Sanierung unter Insolvenzschutz das bisherige Mandat zu verlieren. Insgesamt handelt es sich um einen laufenden Anpassungsprozess, der aufgrund des tiefgreifenden Wandels wohl noch einige Jahre des Umdenkens erfordert.

Seiner Struktur nach sind ESUG-Verfahren deutlich günstiger als normale Insolvenzverfahren, da einerseits die notwendigen Unterlagen bereits bei Antragstellung aufbereitet vorliegen und der gerichtlich zur Aufsicht bestellte Sachwalter nur 60% der Regelvergütung eine Insolvenzverwalters bzw. eines vorläufigen Insolvenzverwalters erhält, ohne dass weitere Zuschläge gewährt werden, da er nur die Aufsicht ausübt. Die Kosten eines Beraters, der das Sanierungskonzept entwirft und mit den Gläubigern abstimmt, entstehen auch in einem normalen Insolvenzverfahren, da auch dort eine Sanierung ohne tragfähiges Konzept nicht erfolgreich sein wird.

Auch in einem ESUG-Verfahren gilt, dass ein Insolvenzverfahren spätestens 21 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung zwingend eingeleitet werden muss – sonst machen sich die Beteiligten wegen Insolvenzverschleppung strafbar. Je näher dieser Tag heranrückt, desto schwieriger wird eine strukturierte Vorbereitung inkl. der Abstimmung mit den wichtigsten Gläubigern und dem Gericht. Daher gilt als Faustregel, dass mindestens zwei Wochen Vorbereitungszeit unverzichtbar sind, dass aber ein solches ESUG-Verfahren unter Insolvenzschutz auch mit einem Planungshorizont von bis zu 6 Monaten taggenau angestrebt und vorbereitet werden kann.

Das hängt ganz wesentlich von der Art und Qualität der Vorbereitung, insbesondere der Kommunikation mit den Beteiligten ab. Sehr gut vorbereitete Verfahren können innerhalb von 3 – 5 Monaten bereits vollständig abgeschlossen sein, häufiger sind jedoch Zeiträume von 5 – 9 Monaten – angesichts der Dauer eines Regelinsolvenzverfahrens von ca. 5 Jahren eine enorm schnelle Umsetzung. Mit der Aufhebung des Verfahrens ist allerdings nur die erste Phase der Sanierung abgeschlossen, denn die operative Umsetzung dauert regelmäßig deutlich länger.

Das Insolvenzrecht stellt Unternehmen, die sich zu einem möglichst frühen Zeitpunkt unter den Schutz des Insolvenzrechts stellen, eine Vielzahl von Sondervergünstigungen zur Verfügung, die es außerhalb eines solchen Verfahrens nicht gibt. So bleibt zunächst einmal die Geschäftsführung im Amt und vertritt auch weiterhin das Unternehmen nach außen, wenn auch unter der Aufsicht eines Sachwalters. Zudem werden z.B. für die Dauer von bis zu 3 Monaten die Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes finanziert, sodass die dadurch gesparte Liquidität voll für die Sanierung eingesetzt werden kann. Das Unternehmen kann sich unter Insolvenzschutz aus ungünstigen, auch langfristen Verträgen durch einfache Erklärung lösen, Zahlungen, die unter Druck geleistet worden sind, können zurückgefordert werden und die Anpassung der Personalstruktur ist deutlich vereinfacht und regelmäßig ohne Abfindungen möglich. Ein Sanierungskonzept bedarf nicht der Zustimmung aller Gläubiger, sondern kann auch mit Mehrheit durchgesetzt werden und während der ganzen Dauer des Verfahrens ist das Unternehmen vor Eingriffen der Gläubiger geschützt. Insgesamt gewährt das Insolvenzrecht dem Unternehmen eine „wettbewerbsrechtliche Auszeit“ und lässt ihm Vergünstigungen in großem Umfang zukommen, damit die Sanierung gelingt und Arbeitsplätze erhalten werden können.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Fragen zum ESUG

Fragen zu den Verfahren

Fragen zum Insolvenzgericht

Fragen zum Insolvenzplan

Fragen zum Gläubiger

Fragen zu den Verfahren

Ein Schutzschirmverfahren kann nur eingeleitet werden, wenn das Unternehmen bei der Antragstellung noch allgemein zahlungsfähig ist und dies auch in den nächsten Wochen bleiben wird. Das Verfahren steht daher nur Unternehmen zur Verfügung, die noch nicht antragspflichtig sind, sondern sich freiwillig unter den Schutzschirm des Insolvenzrechts begeben. Hinzukommen muss zwingend, dass ein sachverständiger Dritter dem Unternehmen bescheinigt, dass es auf der Grundlage eines bereits vorliegenden Konzeptes grundsätzlich sanierungsfähig und fortführungswürdig und keine Zahlungsunfähigkeit gegeben ist. Hingegen kann eine Eigenverwaltung auch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit eingeleitet werden.

Letztlich hängt das vom Ziel der Sanierung und von den Eintrittsvoraussetzungen ab. Die Befugnisse des noch nicht zahlungsunfähigen Schuldners sind im Schutzschirmverfahren – quasi als Belohnung für die frühe Antragstellung – sehr weitreichend, allerdings sind die Hürden auch hoch. Werden diese Hürden jedoch überwunden, dann hat das Unternehmen ein eigenes Vorschlagsrecht zur Person des vorläufigen Sachwalters, er kann unbeschränkt Masseverbindlichkeiten begründen und Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gerichtlich untersagen oder einstellen lassen. Zudem wird ein Schutzschirmverfahren . nicht veröffentlicht und der Antrag kann zurückgenommen werden, wenn sich innerhalb von 90 Tagen die Sanierung erreichen lässt. Ist eines dieser Kriterien für die Beteiligten besonders wichtig, macht es Sinn ein Schutzschirmverfahren einzuleiten, denn die Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Eigenverwaltung sind zwar ebenfalls sehr gut ausgebildet, allerdings nicht in dem Umfang wie beim Schutzschirmverfahren.

Drohend zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, das im Moment dieser Feststellung noch in der Lage ist alle seine fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, dem aber im Laufe der nächsten Zeit bei Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit die Gefahr droht, dass es dazu nicht mehr in der Lage sein wird. Es handelt sich mithin um eine in die Zukunft gerichtete Prognose, die auf der Grundlage einer strukturierten Liquiditätsberechnung erfolgt, die bis zu einem Jahr in die Zukunft gerichtet sein kann. Im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist ein Unternehmen nicht zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet, kann sich aber freiwillig unter den Schutz des Insolvenzrechts stellen und alle damit verbundenen Vorteile für sich in Anspruch nehmen, insbesondere den des Schutzschirmverfahrens.

Alle Erfahrungen der ersten Zeit nach Inkrafttreten des ESUG zeigen, dass ein Unternehmer selbst nicht in der Lage ist, die hohen gesetzlichen Anforderungen an einen zulässigen und begründeten ESUG-Antrag zu erfüllen. Auch der normale Hausanwalt wird hierzu nicht in der Lage sein, vielmehr bedarf es dazu einer professionellen Begleitung durch einen insolvenz- und gerichtserfahrenen Berater sowie eines mit diesem verbundenen Team. Die dem Antrag beizufügenden Unterlagen ergeben sich aus § 13 InsO, wenn auch nicht in der für einen Laien verständlichen Klarheit. Regelmäßig erreicht ein „ordentlicher“ ESUG-Antrag mit den gesetzlich erforderlichen Unterlagen einen Umfang von ca. einem Aktenordner.

Wenn ein ESUG-Verfahren Erfolg haben und die Mitwirkung und Mitbestimmung der Gläubiger vom ersten Tag eines Verfahrens gesichert werden soll, dann erfordert es, dass dem Gericht alle Unterlagen vorgelegt werden müssen, die in einem „normalen“ Insolvenzverfahren erst nach wochenlanger Arbeit durch einen Sachverständigen dem Gericht vorliegen. In einem ESUG-Verfahren müssen all diese Anforderungen schon vor der Antragstellung erfüllt und mögliche weitere gerichtliche Bedenken müssen antizipiert werden. Das setzt notwendig eine Klärung mit dem Gericht über die Inhalte eines solchen Antrags voraus, die je nach zuständigem Gericht oder zuständigem Richter variieren können. Ohne eine professionelle Vorarbeit und Begleitung im Verfahren ist das nicht machbar.

Einigkeit besteht darüber, dass dies vorrangig nur durch sog. kammerangehörige Berufsträger erfolgen darf. Dazu gehören Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Ob auch andere Personen dazu als berechtigt angesehen werden, ist noch umstritten. Bevor man jedoch einen Nicht-Berufsträger beauftragt, sollte mit dem zuständigen Gericht geklärt werden, ob dessen Bescheinigung dort anerkannt wird, denn die formelle wie die inhaltliche Kontrolle obliegt dem Insolvenzgericht.

Der Gesetzgeber schreibt in § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO lediglich vor, dass die Bescheinigung mit Gründen versehen sein muss, von einem in Insolvenzsachen er­fahrenen Steuerberater bzw. einer Person mit vergleich­barer Qualifikation stammt und sich aus ihr ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die ange­strebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Die Bescheinigung ist inhaltlich überzeugend gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO auszugestalten und mit Gründen zu versehen. Eine ergebni­sorientierte Kurzmitteilung genügt nicht. Unverzichtbar dürften sein:

  • Kurze Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung des Un­ternehmens der letzten drei Jahre in Form von GuV und Bilanz
  • Analyse der Krisenursachen und der Krisenstadien gemäß IDW S 6
  • Sanierungsansätze und Maßnahmen zur Beseitigung der Krisenursachen (Übersicht der Maßnahmen)
  • Identifizierung von offensichtlichen Sanierungshemmnissen und erwartetes Verhalten der wichtigsten Stakeholder (Ban­ken, Gesellschafter, Kunden, Lieferanten etc.)
  • integrierte Sanierungs-/Businessplanung für das laufende Wirtschaftsjahr und mindestens zwei Folgejahre (Ergebnis­, Finanz­ und Vermögensplan)
  • erste Skizze des Leitbildes des sanierten Unternehmens

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass einer der nachfolgenden Eröffnungsgründe gegeben ist:

Zahlungsunfähigkeit:

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverbindlichkeiten zu erfüllen. Nach einer Grundsatzentscheidung des BGH liegt Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 InsO regelmäßig dann vor, wenn der Schuldner 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten länger als drei Wochen nicht erfüllen kann, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei vorliegender Zahlungsunfähigkeit kann sowohl der Schuldner als auch ein Gläubiger stellen.

Drohende Zahlungsunfähigkeit:

Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor,  wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erfüllung der bestehenden Zahlungsverpflichtungen nicht gelingen wird, muss dabei mindestens 50 % betragen. Als Prognosezeitraum bezüglich der Beurteilung der künftigen Entwicklung des Schuldners sind das laufende und nächste Geschäftsjahr des Schuldners anzusetzen. Einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann nur vom Schuldner selbst gestellt werden.

Überschuldung:

Der Insolvenzgrund der Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei vorliegender Überschuldung kann sowohl der Schuldner als auch ein Gläubiger stellen.

Nach § 12 Abs. 1 InsVV erhält der Sachwalter 60% der für den Insolvenzverwalter zu bestimmenden Vergütung, d.h. er bekommt eine Vergütung in Höhe von 0,6-Regelsatz gem. § 2 InsVV bzw. als vorläufiger Sachwalter 60% von einem Viertel Regelsatz, also 0,15-Regelsatz. Zuschläge sieht das Gesetz nur vor, wenn bestimmte Rechtsgeschäfte des eigenverwaltenden Schuldners der Zustimmung des Sachwalters bedürfen. Weitere Zuschläge dürften wegen der begrenzten Aufgaben des Sachwalters ausgeschlossen sein.

Fragen zum Insolvenzgericht

Das Insolvenzgericht ist eine Abteilung in einem Amtsgericht. Die Aufgaben des Insolvenzgerichts werden wahrgenommen von Richterinnen und Richtern sowie von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern. Zuständig ist grundsätzlich das Insolvenzgericht am Sitz des Unternehmens, es sein denn, der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit liegt an einem anderen Ort als dem Registersitz. Die Insolvenzgerichte und die gerichtlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren finden Sie unter

Bei den mehr als 180 deutschen Insolvenzgerichten gibt es massive Unterschiede in der Handhabung des ESUG. Da eines der Ziele auch gewesen ist, die Gerichte insbesondere bei der Auswahl der Verwalter zu entmachten und in diese Entscheidung die Gläubiger einzubinden, spaltet sich auch das Lager der Gerichte in Befürworter, Skeptiker und Gegner des ESUG. Ein guter Berater kennt diese Besonderheiten und muss sie in seine Betrachtungen einbeziehen – tut er es nicht, kann der Antrag auf ein ESUG-Verfahren schon in der ersten Phase scheitern (was dann die Frage einer Haftung wegen Falsch- oder Schlechtberatung mit sich bringt). Viele Unternehmen machen um bekannt ESUG-kritische Gerichte häufig einen Bogen, indem der Sitz des Unternehmens kurzfristig in einen anderen Zuständigkeitsbereich verlagert wird. Bei unterschiedlichen Handhabungen unter verschiedenen Richtern eines Gerichts wird auch versucht die regelmäßig an Anfangsbuchstaben anknüpfende Zuständigkeit eines ESUG-kritischen Richters dadurch zu umgehen, dass das Unternehmen kurzfristig umfirmiert wird. So wurde der Antrag im Insolvenzverfahren der Praktiker-Märkte nicht unter dem Buchstaben „P“ für Praktiker, sondern durch Einreichung eines Antrags für den „Baumarkt Praktiker“ und damit unter dem Buchstaben „B“ bei einem bekannten Befürworter des ESUG eingereicht.

Da es sich um eine Frage des Zugangs zu einem gerichtlichen Verfahren handelt, dürfte ein Anspruch auf ein Vorgespräch gegeben sein. Gleichwohl gibt es vereinzelt Gerichte die dies gleichwohl verweigern. In einem solchen Fall sollte man sich direkt an den Direktor des zuständigen Amtsgerichts oder den Präsidenten des jeweiligen Landgerichts wenden und in sachlicher Form darum bitten, dass ein Vorgespräch dann auf dieser Ebene gewährt wird. Der Weg eine Dienstaufsichtsbeschwerde etc. dürfte in aller Regel schon aus zeitlichen Gründen sinnlos ein.

Fragen zum Insolvenzplan

Um das Vertrauen des Gesetzgebers zu rechtfertigen, muss der Schuldner nicht nur formale Voraussetzungen erfüllen (z. B. Vor­lage einer Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO), sondern auch praktisch den Gläubigern gegenüber ein überzeugendes Konzept präsentieren. Daher ist es er­forderlich, schon vor der eigentlichen Antragstellung umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen.

Zunächst müssen die für das Verfahren benötigten Unter­lagen sorgfältig aufbereitet werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um folgendes.

1. Betriebswirtschaftliche Unterlagen:

a. zur Analyse der Krisenursachen und ­-stadien

b. zu Sanierungsansätzen und Maßnahmen zur Beseiti­gung der Krisenursachen
c. zur Identifizierung von offensichtlichen Sanierungs­hemmnissen
d. zur Erstellung einer integrierten Sanierungs-­/Business­planung
e. zum Leitbild des sanierten Unternehmens

2. Juristische Unterlagen, die die folgenden Aspekte analysieren und aufzeigen:

a. allgemeine Rechtsverhältnisse, aber auch insolvenz­rechtliche Auswirkungen innerhalb eines Unterneh­mens­ und Haltungsverbundes

b. verschiedene insolvenzrechtliche Szenarien

c. steuer- und arbeitsrechtliche Aspekte

3. Unterlagen zur Sicherstellung einer proaktiven insol­venz- und unternehmensspezifischen Kommunikation an alle Stakeholder (z. B. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Behörden, Banken, Medien etc.).

Die zuvor genannten Unterlagen erstellt ein erfahrener Berater direkt so, dass diese für den zu erstellenden Insolvenzplan aber auch für das, zur Rettung des Unternehmens not­wendige, operative Sanierungskonzept in geeigneter Form miteinander abgestimmt und verknüpft zur Verfügung ste­hen. So können spätere Änderungen tatsächlicher, recht­licher oder betriebswirtschaftlicher Art in allen relevanten Unterlagen unverzüglich dargestellt werden. Der für die Er­stellung des integrierten Sanierungskonzeptes eingesetzte Berater sollte daher neben „handwerklichen“ Fähigkeiten (z. B. MS­Office­ Produkte sowie Professional Planner) über ausgewiesene Expertisen u. a.

in betriebswirtschaftlichen Fragestellungen (auf Basis aktueller Standards wie IDW S 6)im Insolvenzrecht (spezifische Kenntnisse im Bereich In­solvenzplanverfahren in Eigenverwaltung), Steuerrecht, Arbeitsrecht, Handels­ und Gesellschaftsrechtin der operativen Restrukturierungin der geeigneten unternehmensinternen und externen Kommunikation

verfügen. Die Praxiserfahrung zeigt, dass ein derartiges Auf­gabenpaket regelmäßig nur von einem eingespielten, inter­disziplinären Team abgebildet werden kann. Der Projektleiter sollte zudem über Erfahrungen im Interimsmanagement ver­fügen, um vor Antragstellung die Position eines Chief Restruc­turing Officer (CRO) in der Unternehmensleitung übernehmen zu können.

In einem Insolvenzplan ist neben den rechtlichen Spezifikationen aufzuzeigen, wie das Unternehmen wieder nachhaltig überlebensfähig aufgestellt und die Planverbindlichkeiten befriedigt werden können. Neben der bilanziellen Sanierung (Bereinigung der Passivseite der Bilanz) durch die Insolvenz ist eine umfangreiche operative Sanierung des Unternehmens durchzuführen.

Der Insolvenzplan setzt sich dabei  aus einem  darstellenden und einem gestaltenden Teil sowie den Plananlagen zusammen. Der darstellende Teil dient dazu, alle Beteiligten sowie das Insolvenzgericht darüber zu informieren, wie die Zielsetzung des Insolvenzplanes erreicht werden kann. Es werden die Maßnahmen beschrieben, die erforderlich sind und getroffen werden müssen, um die Grundlage für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen. Dabei wird der Inhalt des darstellenden Teils maßgeblich von der Frage bestimmt, welche grundsätzliche Zielsetzung mit dem Plan erreicht werden gestaltende Teil des Insolvenzplanes regelt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll. Es werden die verschiedenen Leistungsbeziehungen sowie die zur Unternehmensrestrukturierung erforderlichen Willenserklärungen dargestellt. Soweit Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind, erfolgt die Festlegung der Rechte der Beteiligten in Gruppen. Zu den Plananlagen eines Insolvenzplanes gehören unter anderem eine integrierte Finanz-, Vermögens- und Ertragsplanung, ein Sanierungsgutachten und eine Gläubigerliste sowie Aufteilung der Gläubiger in die jeweiligen Gläubigergruppen.

Die Abstimmung über einen Insolvenzplan erfolgt in Gruppen und nicht einzeln. Ein Insolvenzplan kommt zustande, wenn alle Gläubigergruppen dem Insolvenzplan zugestimmt haben. Der Bildung von Gläubigergruppen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Einteilung der Gläubiger in Gruppen muss dabei zwingend die Rechtsstellung sowie die wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger berücksichtigen. Kriterien für die Abgrenzung der Gruppenbildung müssen im Insolvenzplan erläutert werden. Zur Annahme des Insolvenzplanes innerhalb einer Gruppe muss sowohl die Kopf- als auch die Summenmehrheit erreicht werden. Des Weiteren muss die Mehrheit der Gruppen dem Insolvenzplan zustimmen. Sollte mehr als die Hälfte der Gruppen zustimmen, kann die Zustimmung der fehlenden Gruppen durch das Gericht ersetzt werden (sog. Obstruktionsverbot).

Fragen zum Gläubiger

Der vorläufige Gläubigerausschuss ist das zentrale Steuerungsinstrument in einem ESUG-Verfahren. Er soll die Mitwirkung und Mitbestimmung der Beteiligten vom ersten Tag eines Verfahrens an sichern, was notwendigerweise erfordert, dass dessen Mitglieder bereits vor der Antragstellung ausgewählt werden und zur Übernahme des Amtes bereit sind. Da in dem frühen Stadium des Verfahrens die Gläubiger noch nicht alle bekannt sind, erfordert die Zusammensetzung des Ausschusses eine Repräsentation aller beteiligten Gruppen und sollte daher regelmäßig aus 5 Mitgliedern bestehen (Kreditinstitut, Sicherungsgläubiger, Arbeitnehmervertreter, institutionelle Gläubiger wie z.B. Bundesagentur, Krankenkasse etc.) sowie einem ungesicherten Kleingläubiger. Jedes Mitglied des Ausschusses hat eine Stimme, egal wie hoch dessen Forderung ist.

Der Ausschuss hat die Aufgabe die Arbeit des eigenverwaltenden Schuldners und/oder die des vorläufigen Verwalters zu überwachen und hat zudem u.a. die folgenden Rechte und Pflichten

  • Anhörungsrecht vor Bestellung eines Verwalters durch Benen­nung eines konkreten Anforderungsprofils (§ 56a Abs. 1 InsO)
  • Einstimmiger, bindender Vorschlag für einen Verwalter (§ 56a Abs. 2 InsO)
  • einstimmige Ersetzung der gerichtlichen Auswahlentschei­dung ohne Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 56a Abs. 3 InsO)
  • Antrag auf Aufhebung des Schutzschirmverfahrens vor Ablauf der gesetzten Frist (§ 270b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 InsO)
  • Stellungnahme zum Antrag auf Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 3 InsO)
  • alle gesetzlichen Aufgaben nach § 69 InsO
  • Zustimmung zu allen Maßnahmen nach § 160 InsO.

Der Gesetzgeber gewährt ganz bewusst die erheblichen Vergünstigungen des neuen Rechts nur solchen Schuldnern, die zumindest in der letzten Phase vor der Antragstellung die wichtigsten Gläubiger einbeziehen und diese davon überzeugen, den Weg in eine Sanierung unter Insolvenzschutz gemeinsam zu gehen. D.h. es stellt sich überhaupt nicht die Frage des „Ob“, sondern nur die Frage des „Wann“. Ein Antrag ohne vorherige Einbindung der wichtigsten Gläubiger ist von vornherein aussichtslos.

Das Obstruktionsverbot sieht die fingierte Zustimmung der ablehnenden Gruppen durch das Gericht vor. Eine ablehnende Entscheidung einzelner Gruppen kann jedoch nur dann durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden, wenn die ablehnenden Gruppen zahlenmäßig in der Minderheit sind. Des Weiteren kann die Zustimmung nur ersetzt werden, wenn die Gläubiger der ablehnenden Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden und angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Insolvenzplanes zu verteilen ist.