Die Insolvenz in Eigenverwaltung – Sanierung unter Insolvenzschutz ohne Insolvenzverwalter

Im Lebenszyklus eines Unternehmens kann es immer mal wieder zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten kommen. Für den Fall, dass die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens bedroht ist oder eine Überschuldung im Raum steht, setzt das deutsche Insolvenzrecht unter bestimmten Voraussetzungen die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags voraus.

Viele Unternehmer scheuen diesen Schritt, weil sie die Übernahme und den Verkauf des Unternehmens durch einen Insolvenzverwalter fürchten. Hinzu kommt meist die Angst vor einer persönlichen Inanspruchnahme, die in aller Regel den persönlichen Ruin bedeutet.

Dabei hat der Gesetzgeber dem vorausschauenden Unternehmer mit der Möglichkeit der Insolvenz in Eigenverwaltung ein probates Mittel an die Hand gegeben, um sein Unternehmen eigenverantwortlich nachhaltig sanieren zu können. Wenn Sie wissen möchten, was die Insolvenz in Eigenverwaltung bedeutet, welche Voraussetzungen für die Nutzung dieser Verfahrensart erforderlich sind, worin die Vorteile liegen, und was es sonst noch zu beachten gibt, dann sollten Sie unbedingt weiterlesen.

1. Wann kommt eine Insolvenz in Eigenverwaltung in Betracht?

Damit ein Unternehmen eine Sanierung über ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angehen kann, muss zunächst ein Insolvenzgrund vorliegen.

Drohende Zahlungsunfähigkeit

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt gem. § 18 InsO vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Neuerdings ist für die Beurteilung des Vorliegens einer drohenden Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen, ausgehend vom Stichtag der Betrachtung.

Diese Bestimmung gibt einem Unternehmen in der Krise die Möglichkeit, eine Sanierung unter Insolvenzschutz möglichst früh anzugehen und somit die größtmögliche Aussicht auf eine erfolgreiche Sanierung zu erhalten.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass vor allem bei den beliebten Rechtsformen wie der GmbH, AG oder GmbH & Co. KG, im Falle einer lediglich drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Pflicht dazu besteht, einen Insolvenzantrag zu stellen. Vielmehr kann das Unternehmen in der Krise auch zunächst versuchen, eine außergerichtliche Einigung mit seinen Gläubigern zu erzielen.

Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er den Fokus immer mehr auf den Erhalt und die erfolgreiche Fortführung eines Unternehmens legt. Geht ein Unternehmen seine strukturellen Probleme möglichst früh an, wird der redliche Schuldner hierfür mit einer Vielzahl von Sanierungsinstrumenten belohnt.

Zahlungsunfähigkeit

In aller Regel erkennt ein Unternehmer Handlungsbedarf, wenn die vorhandene Liquidität nicht mehr ausreicht, um sämtliche Verbindlichkeiten rechtzeitig zu bezahlen. In diesem Fall spricht man von einer sogenannten Zahlungsunfähigkeit. Eine entsprechende Legaldefinition findet sich in § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO.

Von einer Zahlungsunfähigkeit unterscheiden ist die sogenannte Zahlungsstockung. Diese liegt vor, wenn ein Unternehmen mehr als 90 % seiner fälligen Verbindlichkeiten bedienen kann. In diesem Fall ist dem Schuldner der Gang in ein Verfahren in Eigenverwaltung grundsätzlich zunächst versperrt, es besteht auch keine Pflicht einen Antrag zu stellen.

Dabei besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass sich die Liquiditätslücke in absehbarer Zeit vergrößert. Alternativ könnte man in dieser Situation über einen Antrag aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit nachdenken.

Oftmals herrscht die Meinung vor, dass sich ein zahlungsunfähiges Unternehmen nicht für eine Insolvenz in Eigenverwaltung eignet. Der vorliegende Insolvenzgrund allein sagt jedoch nichts über den Erfolg oder Misserfolg einer beabsichtigten Insolvenz in Eigenverwaltung aus.

Überschuldung

Handelt es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person, ist auch die Überschuldung ein Insolvenzgrund.

Gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 InsO liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Eine Ausnahme besteht für den Fall, dass die Fortführung des Betriebs in den nächsten zwölf Monaten nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Es muss hierfür eine sogenannte positive Fortführungsprognose erstellt werden.

Um sich seitens der Geschäftsführung nicht angreifbar zu machen und potenzielle Haftungsrisiken zu vermeiden, sollte die Fortführungsprognose durch einen unabhängigen Berater erstellt werden.

Geschäftsmodell und Management

Das Vorliegen eines Insolvenzgrundes ermöglicht zwar den Eintritt in ein Verfahren, über den Erfolg einer Eigenverwaltung entscheiden jedoch andere Faktoren. So ist hierfür z. B. maßgeblich, dass das Unternehmen über ein funktionierendes Geschäftsmodell sowie eine verständige und umsichtige Geschäftsführung verfügt.

Aufgrund der Komplexität des Verfahrens, ist die Begleitung durch einen insolvenzerfahrenen Berater unerlässlich. Die Geschäftsführung konzentriert sich dabei in erster Linie auf das Tagesgeschäft und den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Der Berater führt den Schuldner sicher durch das Insolvenzverfahren und vermeidet potenzielle Haftungsrisiken.

2. Welche Vorteile hat eine Insolvenz in Eigenverwaltung?

In der Vergangenheit wurde es oftmals als größter Nachteil einer Insolvenz empfunden, dass ein Insolvenzverwalter die Geschicke des Betriebs übernommen und der Unternehmer sein Lebenswerk verloren hat.

In der Eigenverwaltung bleibt nicht nur die bisherige Geschäftsleitung im Amt, es gibt vielmehr auch keinen Insolvenzverwalter mehr. Stattdessen bestellt das Gericht einen (vorläufigen) Sachwalter. Der Sachwalter hat eine deutlich eingeschränkte Funktion im Verfahren. Er wacht für das Gericht darüber, dass der Schuldner im Rahmen der Eigenverwaltung die geltenden Gesetze einhält und die Interessen der Gläubigergemeinschaft gewahrt werden.

Eine aktive Rolle führt der Sachwalter im Insolvenzverfahren nicht aus. Seine Aufgabe ist auch nicht die Beratung des Schuldners. Diese wird der Sachwalter schon deshalb ablehnen, weil er im Vergleich zum Insolvenzverwalter eine deutlich niedrigere Vergütung erhält und diese die bestehenden Haftungsrisiken in aller Regel nicht aufwiegt. Eine Beratung scheidet daher in aller Regel aus.

Die zahlreichen Vorteile, die eine Insolvenz in Eigenregie zu bieten hat, machen es für ein insolvenzreifes Unternehmen zu einem erstrebenswerten Sanierungsinstrument. Die beschriebenen Liquiditätsvorteile sowie die Möglichkeiten zur operativen Sanierung bestehen so nur im Rahmen einer Eigenverwaltung oder in einem Schutzschirmverfahren.

Ein insolvenzreifes Unternehmen mit strukturellen Problemen ist daher gut beraten, eine Eigenverwaltung oder ein Schutzschirmverfahren anzustreben.

3. Wie läuft ein solches Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ab?

Wie bereits eingangs geschildert, ist seitens der Geschäftsleitung zunächst das Vorliegen eines Insolvenzgrundes zu prüfen. Dies sollte auf Grund der Tragweite der anstehenden Entscheidungen nicht ohne insolvenzrechtliche Beratung geschehen.

Insolvenzantrag

Im nächsten Schritt ist der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung zu erstellen. Auch hierbei empfiehlt es sich, professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen.

Vorläufiges Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung

Akzeptiert das Gericht den Insolvenzantrag, folgt per Beschluss die Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Gleichzeitig wird nicht ein Insolvenzverwalter, sondern ein Sachwalter bestellt. Der Sachwalter ermittelt im Nachgang das Vermögen des Schuldners und klärt neben der grundsätzlichen Durchführbarkeit einer Eigenverwaltung auch die Frage, ob die Verfahrenskosten gedeckt sind.

Im vorläufigen Insolvenzverfahren werden nun die Weichen für den weiteren Verlauf gestellt. Es gilt insbesondere, die zur Verfügung stehenden Liquiditätseffekte, soweit möglich, auszuschöpfen und das Unternehmen für die Zukunft neu aufzustellen.

In dieser Zeit werden die Löhne und Gehälter von der Agentur für Arbeit übernommen. Da dies aufgrund gesetzlicher Vorschriften jedoch erst rückwirkend mit Eröffnung des Verfahrens möglich ist, werden die Zahlungen zunächst über eine Bank vorfinanziert.

Die Geschäftsleitung erarbeitet parallel und sinnvollerweise zusammen mit einem Berater ein Sanierungskonzept, das dem Unternehmen eine erfolgreiche Zukunft attestiert und zugleich eine Antwort auf die Frage enthält, wie die Forderungen der Gläubiger befriedigt werden sollen.

Eröffnetes Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung

Hat der Sachwalter im Rahmen seines Eröffnungsgutachtens einen Insolvenzgrund sowie ausreichend Vermögen für die Deckung der Verfahrenskosten ausgemacht, folgt die Anordnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht.

Die Gläubiger werden nun offiziell aufgefordert, ihre Insolvenzforderung zur sogenannten Insolvenztabelle anzumelden. Der Sachwalter führt die Tabelle und prüft die angemeldeten Forderungen.

Dabei ist die Prüfung nicht darauf ausgerichtet festzustellen, ob die von dem jeweiligen Gläubiger angemeldete Forderung tatsächlich begründet ist. Der Sachwalter ermittelt insoweit nur, ob der Gläubiger durch Einreichung entsprechender Dokumente und Nachweise die Existenz der angemeldeten Forderung hinreichend nachgewiesen hat.

Die Tabelle ist gem. § 175 Abs. 1 S. 2 InsO mit den Anmeldungen sowie den beigefügten Urkunden nach dem Ablauf der Anmeldefrist und vor dem Prüfungstermin in der Geschäftsstelle beim zuständigen Insolvenzgericht zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen.

Im Rahmen einer Regelinsolvenz ebenso wie bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung ist die sogenannte Gläubigerversammlung das wichtigste Organ der Gläubiger. Die Gläubigerversammlung wird gem. § 74 Abs. 1 InsO vom Insolvenzgericht einberufen.

Im Rahmen der Gläubigerversammlung vertreten die Gläubiger ihre Interessen, insbesondere gegenüber dem Schuldner, und treffen wichtige Entscheidungen für den weiteren Fortgang des Verfahrens.

Ein Gläubigerausschuss ist im Insolvenzrecht nur für größere Fälle vorgesehen. Der Schuldner kann ihn aber auch bei Unterschreiten der Grenzwerte beantragen. Der Gläubigerausschuss ist das weitere Willensbildungsorgan der Gläubigergemeinschaft und deutlich intensiver in den Ablauf des Verfahrens sowie die Überwachung der Beteiligten eingebunden.

Die Mitglieder des Ausschusses sollen die Gläubigerschaft repräsentativ widerspiegeln und werden durch das Insolvenzgericht bestellt.

Das Ziel einer Insolvenz in Eigenregie besteht darin, das insolvente Unternehmen über einen Insolvenzplan zu entschuldigen. Dieser ist vom Schuldner unter Mitwirkung der wesentlichen Gläubiger zu erarbeiten und im Rahmen einer weiteren Gläubigerversammlung zur Abstimmung zu stellen.

4. Worin besteht der Unterschied zwischen einer Insolvenz in Eigenverwaltung und einem Schutzschirmverfahren?

Das Schutzschirmverfahren stellt eine Sonderform der Insolvenz in Eigenverwaltung dar. Ein großer Vorteil dieser Verfahrensart ist die positive Besetzung der Bezeichnung, denn in Deutschland besteht immer noch ein gewisses Unbehagen gegenüber dem Wort Insolvenz.

Die positive Wahrnehmung bei Geschäftspartnern und Kunden stärkt das Vertrauen in den eingeschlagenen Weg und dessen Erfolg. Die mediale Berichterstattung über insolvente Unternehmen wie GALERIA Karstadt Kaufhof oder Condor haben das Verfahren deutschlandweit bekannt gemacht.

Ein weiterer besonderer Vorteil des Schutzschirmverfahrens ist, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht die bevorzugte Person für das Amt des Sachwalters vorschlagen kann.

Im Gegensatz zur Insolvenz in Eigenverwaltung ist für die Anordnung eines Schutzschirmverfahrens erforderlich, dass eine Bescheinigung darüber erbracht werden muss, dass die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Dies erhöht die Kosten des Verfahrens, wenn auch im unüberschaubaren Maße.

Weiterhin ist der Schuldner angehalten, dem Insolvenzgericht innerhalb von max. drei Monaten einen Insolvenzplan vorzulegen.

5. Entschuldung über einen Insolvenzplan

Der Insolvenzplan ist das Kernelement einer jeden Insolvenz in Eigenverwaltung. Bei ihm handelt es sich im Ergebnis um einen Vergleich mit den Gläubigern.

Der Plan gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile:

  • den darstellenden Teil und
  • den gestaltenden Teil

Der Inhalt des Plans soll sämtliche Gläubiger in die Lage versetzen, die historischen Entwicklungen im Vorfeld der Insolvenz in Eigenverwaltung nachzuvollziehen. Sie sollen auf Basis dieser Informationen sowie des enthaltenen Ausblicks in die Zukunft in die Lage versetzt werden entscheiden zu können, ob das im Insolvenzplan enthaltene Angebot aus ihrer Sicht ausreichend ist.

Der Insolvenzplan wird zunächst dem zuständigen Insolvenzgericht zur Vorprüfung vorgelegt. Erkennt das Gericht bei der Prüfung keine wesentlichen Mängel, wird ein Erörterungs- und Abstimmungstermin angesetzt. Findet der Plan die Zustimmung der Gläubigergemeinschaft, hebt das Gericht der Folge die Insolvenz in Eigenverwaltung auf.

6. Was bedeutet eine Insolvenz in Eigenverwaltung für die Mitarbeiter eines Unternehmens?

Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter werden während der vorläufigen Insolvenz in Eigenverwaltung von der Agentur für Arbeit getragen. Damit haben die Mitarbeiter einen solventen Anspruchsgegner.

In den Arbeitsverhältnissen selbst ändert sich durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung nichts. Insbesondere wird ein Arbeitsvertrag durch den Eintritt in das Verfahren nicht beendet oder aufgelöst. Es gelten weiterhin die Regeln des Arbeitsrechts, d. h. bei einer beabsichtigten Kündigung muss grundsätzlich ein Kündigungsgrund bestehen.

Wird die Insolvenz in Eigenregie eröffnet, reduzieren sich die Kündigungsfrist auf max. drei Monate.

7. Fazit

Die Insolvenz in Eigenverwaltung hat sich seit den Änderungen der Insolvenzordnung durch das Gesetz zur erleichterten Sanierung von Unternehmen (ESUG) im Jahr 2012 zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Unternehmer suchen immer früher eine insolvenzerfahrene Beratung, die im Ergebnis zu erfolgreichen Verfahren führt. Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist jedoch kein Selbstzweck. Für den Eintritt in das Sanierungsverfahren ist vielmehr ein Insolvenzgrund erforderlich, denn für die betroffenen Gläubiger steht meist ein nicht unerheblicher Verlust im Raum. Wird der Schuldner – als in aller Regel juristischer Laie – im Rahmen des Verfahrens kompetent beraten, sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Fortführung und den Erhalt des Unternehmens ebenso realistisch wie eine angemessene Befriedigung der Gläubigergemeinschaft.

Bei Fragen zum Thema Insolvenz in Eigenregie nehmen Sie Kontakt zu uns auf, unsere kompetenten Berater stehen Ihnen gerne zur Verfügung.

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